Eve Massacre

1539 days ago

"Zwischen all diesen Taten gibt es Angriffe ohne Hashtags, unter anderem auf offener Straße auf kopftuchtragende Frauen. Teilweise sind die Frauen schwanger oder haben Kinder bei sich, die den Angriff auf ihre Mütter miterleben müssen. Meine Mutter trägt auch Kopftuch.

Wenn ich auf der Straße mit ihr unterwegs bin, dann spüre ich die wertenden, sortierenden Blicke. Ich bin dann das Integrationswunder.
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Ich schreibe aus meinem mit Angst gefüllten Bauch heraus auf Twitter, dass ich meinen jüngeren Bruder warne, er möge nicht in die Moschee gehe und auch nicht mehr in die Shisha-Bar besuchen. In Clubs wird er aber häufig nicht reingelassen. Hält er sich auf der Straße auf, wird er als Gefahr betrachtet. Cruisen soll er auch nicht wegen der Umweltbelastung. Ich frage: Wo soll er hingehen? Wo soll meine kopftuchtragende Mutter leben?

Wo ist es sicher für meine Familie? Darüber mache ich mir seit längerem Gedanken, führe nächtliche Monologe mit mir selbst und tägliche Dialoge mit Menschen, die auch Angst in Deutschland haben oder Verbündete der rassismuserfahrenen Menschen sein möchten.
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Ich wünschte, man hätte Sensibilität gegenüber Rassismus nicht als „dünnhäutig“ oder „nicht-neutral“ abgewertet. Ich wünschte, man hätte aus all den Fehlern gelernt, statt sie zu wiederholen. So dass ich keine Texte über meine Ängste und die realen Gefahren aufgrund von Diskriminierung schreiben muss, so dass ich mir nicht nächtelang Gedanken mache, ob ich mir einen Urlaub gönne oder das Geld für eine eventuelle Flucht spare."

Nadire Y. Biskin: „Die Angst begleitet mich täglich“

berliner-zeitung.de

Nadire Y. Biskin (32) ist in Berlin-Wedding geboren und aufgewachsen. Sie schreibt für diverse Medien journalistische Texte sowie Prosa, Essays und Lyrik.